Tropensturm Ana überschwemmt den Süden von Malawi




Im Süden ist quasi das ganze Land überflutet, Häuser und Saaten wurden weggespült und die Menschen fliehen in die Städte Nchalo, Chikwawa und Nsanje, wo sie Zuflucht suchen. Francis Folley von YCD in Nchalo berichtet, es gibt weder Nahrung noch sauberes Trinkwasser und viele Menschen schlafen auf der Hauptstrasse auf dem Asphalt, da diese etwas höher liegt und dadurch teilweise trocken bleibt. Letzten Sonntag informierte uns Francis, dass die Kirchen und Schulen, die nicht überflutet sind, Zufluchtsorte wurden und dass viele Menschen schon 2-3 Tage nichts mehr gegessen haben. Kurzerhand konnten wir letzte Woche CHF 2500.- zu YCD schicken. Francis und sein Team schafften es, nach Blantyre durchzukommen, Maissäcke zu besorgen, Mehl zu mahlen und zurück nach Nchalo zu bringen. Hier ist seinen Bericht Bericht von Francis verlinken. Im heutigen Zoom sagte er uns, dass ohne diese Aktion viele Menschen bereits verhungert wären. Sauberes Trinkwasser gibt es keines und die Leute trinken das Flutwasser, bekommen Durchfall und Fieber.
Im Internet fanden wir noch dieses kurze Video, das das Ausmass der Katastrophe zeigt:
Lange Rede, kurzer Sinn: Die Leute brauchen dringend Nothilfe. Sie verhungern.
Die Regierung ist nirgends, auch andere NGO’s wurden bis jetzt in Nchalo nicht gesehen. Patimalawi ist bisher die einzige Organisation, die in Nchalo aktiv hilft.
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Lasst uns weiterhelfen!
Hier eine kurze Factliste:
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Die knapp 800 Menschen die bisher Nahrung erhalten haben, sind etwa ¼ der insgesamt hilfsbedürftigen Menschen in und um der Kleinstadt Nchalo. Mit CHF 2500.- können diese Menschen für 10 Tage Nahrung erhalten.
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Es ist für Francis und sein Team möglich, in Blantyre Mais zu besorgen und zu mahlen. Obwohl die Strasse teilweise überflutet ist und von Blantyre abgeschnitten, können dank seinem Netzwerk die Maissäcke auf dem Kopf durch die überfluteten Strassenteile getragen und auf der anderen Seite weitertransportiert werden.
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Die Menschen brauchen:
- Nahrung für mindestens 2-3 Monate
- Ärztliche Versorgung (dringend)
- Saatgut
- Unterstützung im Aufbau der Häuser
- Benzin für Transporte und den Generator
Was macht Patimalawi?
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Mit Francis haben wir besprochen, dass er und sein Team sich darauf fokussieren, vorerst Nothilfe zu leisten (Nahrung zum Überleben und Plastikplanen für Notunterstände) und in einem zweiten Schritt, die Menschen zu unterstützen, den Wiederaufbau ihrer Häuser und ihrer Lebensgrundlagen in Angriff zu nehmen.
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Wir werden sämtliche Spenden umgehend zu YCD überweisen. Wir sind mit Francis im engen Kontakt, um die jeweils nächsten Schritte zu planen und an die Notlage anzupassen
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Wir senden diesen Newsletter auch an Ärzte ohne Grenzen, Unicef, Rotes Kreuz, und werden nachfragen, woran es liegt, dass bisher keinerlei ärztliche Versorgung in dem Gebiet angekommen ist (die Behandlung von Durchfallerkrankungen und die Versorgung mit sauberem Trinkwasser wäre ja so dringend um Leben zu retten).
Reiseblog 2024
Reise von den Patimalawi-Mitgliedern Andi und Jeannette nach Malawi Juli/August 2024
Blantyre, Ankunft
Blantyre ist ein wuseliges Städtchen mit vielen Hügeln und viel Grün. Man sieht nicht, wo die rund 1,1 Mio Einwohner wohnen, die Fläche ist gross und unübersichtlich, Distanzen in die Aussenquartiere sind lang. Die Sonne geht schon früh unter im wichtigen Handels- und Bankenzentrum im Süden Malawis. Die Menschen zeigen sich interessiert und sprechen uns an. Uns sind im Zentrum und auch entlang der Hauptstrassen, einige «gated comunities», auch Arabisch angeschriebene (Handel?), aufgefallen. Unzählige Telefonstände mit bunten Sonnenschirmen und kleinen Tischen prägen das Strassenbild. Nachts sollte man Fusswege vermeiden und das Taxi nehmen. Wir fanden es im Juli abends recht kühl. Es gibt Motorrad und Autotaxi, sowie überfüllte und teils klapprige Minibusse als Sammeltaxis auf festen Routen. In Sammeltaxis oder Taxis reist man im ganzen Lande. In Blantyre gibt einen Supermarkt im Stiel Carrefour, mit einem Angebot ähnlich wie bei uns zu europäischen Preisen.
Francis, Fanees, seine Frau und Japhed holten uns nachmittags im Hotel ab und brachten uns nach Nchalo, wo wir die nächsten 4 Wochen verbringen wollen. Der Weg durch Vororte bis zum Abstieg in die Tiefebene ist malerisch schön, hügelig und grün, gesäumt von Schreinereien, Läden, Werkstätten und kleinen Märkten. Im Shire Becken angekommen wird es staubtrocken und wärmer und ärmer….
Wir haben die ersten Eindrücke in Blantyre und auf der Fahrt unterschiedlich wahr genommen. Jeannette war begeistert vom Licht, dem wuseligen Leben, den freundlichen und fröhlichen Menschen, während Andi mehr das knappe Angebot, der sichtbare Mangel und die Armut empfand.
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Wohnen
Wir konnten bei Francis im Gästezimmer in einem schönen, grossen ebenerdigen Haus wohnen. Während 4 Wochen wurden wir hier freundlich aufgenommen und verwöhnt. Gelegentlich fällt der Strom aus, dann fliesst auch kein Wasser und morgens war es so schwach, dass wir jeweils abends duschten. Das Haus hat einen kleinen Vorhof und ein Eisentor, das nachts, wie in Malawi üblich, bewacht wird.
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Erste Eindrücke
Die einzige geteerte Strasse ist die «M1» entlang des Shire River und der riesigen, kilometerlangen Zuckerfeldern der südafrikanischen Sugar Company Illovo. In Nchalo befindet sich die Illovo Zuckerfabrik und eine Siedlung mit Bungalows und einem Sportclub mit Bar und Restaurant und eigener Wasser- und Stromversorgung und Metzgerei. Die modernste Lodge, mit Bungalows und Internet am Stadtrand wird vor allem von Illovo Kadern frequentiert. «Luxus Getto»
Wir wohnten an der breiten «Hauptpiste» mit Werkstätten, Garküchen und kleinen Geschäften mitten drin in Nchalo. Weiter westlich kommt man an eine Brücke, wo die Menschen ihre Kleider waschen und die Kühe und Ziegen auf die Felder treiben. An der Kreuzung und entlang der Hauptstrasse (M1) ein grosser farbiger Markt, von Gemüse über Kleider (Second Hand) zu Werkzeug und Werkstätten. Natürlich auch die üblichen Telefonstände.
Hauptmarkttag war unser 2. Tag, der Samstag. Weisse Menschen, die durchs Dorf spazieren und auf die Menschen zugehen, sind eine rare Seltenheit (meist Leute, die bei Francis wohnen) und entsprechend wurden wir bestaunt und freundlich begrüsst. Jedes Lächeln kommt x fach zurück, Kinder und Erwachsene winken uns zu. Es war berührend. Andi fühlte sich manchmal wie ein Politiker auf Wahltour, vor lauter winken.
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Kennenlernen des YCD-Teams und Planung der Projektzeit
Am Tag nach unserer Ankunft trafen wir uns um 8:30 im Büro der YCD an der Hauptstrasse zum ersten Meeting mit dem YCD Team. Auch dort wurden wir äusserst warmherzig empfangen. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde wurde unser Programm besprochen und vorbereitet, Verantwortungen vereinbart, Termine gesetzt. Nach ca 1 ½ h war alles besprochen und wir hatten wieder frei. Wir waren beide beeindruckt, von der offenen Kommunikation und Diskussionskultur der YCD -Leute. Ziel war es, uns einen möglichst breiten Eindruck ihrer Programme zu geben. Mit Matthias und Birgit war zudem vereinbart, dass wir möglichst viele Waisenkinder (Flutkatastrophe) in ihren Pflegefamilien besuchten und nach einem von uns vorbereiteten Fragebogen zu interviewten.
Tatsache ist aber auch, dass Rhythmus und Arbeitsweise nicht mit unserem verglichen werden kann. Alles geht, nicht zuletzt wegen mangelnder Infrastruktur, viel gemächlicher zu und her. Der grosse Vorteil von YCD und das spürten wir bereits beim ersten Treff, ist ihre Nähe zu den Leuten. Das YCD Haus hat nur zwei Büroräume und man trifft sich für die Besprechungen draussen, unter dem offen Strohdach.
Gefängnisprojekt
Wir waren insgesamt 3 x im Bezirksgefängnis (nur Männer) von Chikwawa. In Malawi sind die Strafen für Bagatelldelikte sehr hoch und Not und Hunger sind oft Ursache, der kleinen Diebstähle die dann drastisch bestraft werden. (Bsp. 2 Jahre für einen Velodiebstahl) sie sitzen zusammen mit verurteilten schwereren Verbrechern. Armut ist kein Verbrechen und YCD gibt den Gefangenen mit einen «Skills Programm», der Kontaktaufnahme mit den Angehörigen und einer finanziellen Starthilfe für ein kleines «Business» die Möglichkeit für eine Zukunft ohne Rückfall. Dazu arbeiten sie eng mit der Gefängnisleitung zusammen, die offen kooperiert, weil es sonst kaum Hilfe gibt, sie selber die Haftbedingen als «schlecht» bezeichnen und die Rückfallquote aus den YCD-Programmen sehr klein ist.
Wir haben den Umgang von Francis und Alan mit der Gefängnisleitung bewundert. Sie beweisen dabei grosses «politisches» Geschick. Man kennt und respektiert einander.
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Das Programm:
Wir konnten mit Alan und Francis je einen Tag lang den Erst- und Austrittsgesprächen beiwohnen. Die Gefangenen werden von 2 Wärtern, immer dieselben, ausgewählt und zum Out Door - Besprechungsort gebracht.
Die Gesprächsführer Alan und Francis haben einen sehr guten Zugang zu den Insassen mit viel Feingefühl, Know How der Kultur und Empathie. Alle Gefangenen hatten geäussert, dass das Gefängnis sehr hart ist und sie Hunger haben. Es gibt nur eine Mahlzeit / Tag, am Mittag. Es gibt zwar einzelne Arbeitsprogramme mit Lerncharakter, allerdings kommen sie dort erst kurz vor dem Ende der Haft dazu, dann sinkt das Fluchtrisiko.
Als nächster Schritt folgt der Besuch der Angehörigen in den Dörfern. Dieser Schritt ist für den Erfolg der Wiederintegration zentral. Uns beeindruckte, dass man die Familien der Gefangenen aufsucht und sie einbezieht. Ihnen eine Rolle gibt, für die Zeit nach Rückkehr der Gefangenen aus der Haft.
Beindruckend war auch die Erfolgsquote, alle Verwandten vereinbarten einen Besuch beim Angehörigen im Gefängnis und alle kamen! (Die Transportkosten, ein mögliches Hindernis, übernimmt YCD/ Patimalawi)
Das Aufsuchen der Angehörigen in den abgelegenen Dörfern, oft ohne Strom und über holprige Pisten war sehr eindrücklich für uns. Das ist zeitaufwändig, aber ein Schlüssel zum Erfolg und kulturell sehr wichtig.
Jeannette erlebte das Dorfleben als malerisch und paradiesisch, Andi deprimierte die vorgefundene Armut und Ausweglosigkeit. Beide waren wir besonders betroffen über eine Familie, welche mit fünf Kindern seit Tagen nichts mehr gegessen hatten und vom Hunger und der Armut gezeichnet waren. Der Grossvater sass in zerfetzen alten und zu kleinen Hose im Staub, das Baby hatte trübe Hungeraugen. Wir wurden freundlich empfangen, sie waren offen, kooperationsbereit und es kam kein Wort der Klage. Der Ehemann und Haupternährer im Knast, das Elend greifbar. Es war kaum auszuhalten. Mit Unterstützung von YCD konnte der Familie 50 Kg Mais gesponsort, genug bis zur Entlassung des Ehemannes und in der Folge ein möglicher Business-Starter.
Nach der Freilassung und in Kooperation mit der Familie, bekommen die freigelassenen Gefangenen eine finanzielle Starthilfe, um in die Selbständigkeit zu gehen (Skills Programm).
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Erfahrungsaustausch nach Businesstart
Als dritten Schritt konnten wir einem Erfahrungsaustausch von Ex Gefangenen beiwohnen… Beeindruckt, wie die Ex-Gefangenen, nach einem kurzen, motivierenden Input von Francis und des Gefängnischefs angeregt in Arbeitsgruppen diskutiert haben. Es war sehr spannend, wie sie in Gruppen zusammengetragen haben, was funktioniert und was schwierig ist seit sie draussen sind und versuchen ihr Business zu machen. Sie berichteten von ihren guten und schlechten Erfahrungen, dass sie von ihren Verwandten getragen wurden, dass es hilft mit den Kunden und Nachbarn zu reden, aber auch dass es schwierig ist wegen den starken Währungsschwankungen und der Verteuerung der Transportkosten. Sie schienen auf neue Ideen zu kommen und es war spürbar, wie ihnen der Austausch gefallen hat. Es nahmen auch die Offiziere vom Gefängnis teil und bedankten sich für die wertvolle Unterstützung von Patimalawi und YCD. Erstaunlicherweise schadete ihre Präsenz der guten Stimmung und der ernsthaften Diskussion nicht. Wenn sie von YCD ein Empfehlungsschreiben erhielten, wäre ihre Chance auf ein Kredit höher, hofften sie in der Schlussrunde. (sie bekommen eines mit dem Schlusszertifikat des Skills Programm)
Es zeigten sich auch Widersprüche: Beispiel Holzkohlengewinnung und Holzhandel den eine Frau führte. (Problem illegaler Holzschlag) Dies wurde von Francis aufgegriffen und andere Handelsbereiche vorgeschlagen. Der Businessstarter im Gefangenenprojekt ist ein grosser Erfolg. Allerdings fragten wir uns auch, wie lange das gut geht und was passiert in ökonomischen (Konsum) Krisen.
Anlässlich einer Seifenverteilung an Gefangene konnten wir am Ende unseres Besuches in den inneren Bereich, den Gefängnishof. Das Gefängnis war anlässlich einer Begnadigungswelle, die es üblicherweise 2 x pro Jahr gibt, relativ leer. In 6 Schulzimmergrossen leeren Räumen leben 60 bis 100 Männer. Decken gab es einige, aber längst nicht für alle (Nachts kann es kalt werden), Matratzen oder gar Betten haben wir keine gesehen. Es hat nicht genügend Platz für alle zum Liegen, also wird im Sitzen geschlafen, persönliche Gegenstände werden, sofern vorhanden, in Tupperwareboxen oder Kartonschachteln aufbewahrt. Unsere Seifenkartons waren begehrt. Die Leute waren dafür dankbar.
Waisenkinder bei den Pflegefamilien besuchen
Mit Blessings, welche die Kinder und deren Pflegefamilien betreut und gut kannte interviewten wir über 40 Familien. Es handelt sich oft um verwandtschaftliche Pflegeverhältnisse. Die Pflegeeltern wurden sorgfältig ausgewählt. Auch Francis kennt alle Familien und ihre Hintergründe. Wir nahmen im Allgemeinen eine grosse Empathie zwischen den Pflegeeltern und den Waisenkindern wahr. Die Meisten mussten kämpfen, manche Bedingungen sind, trotz Hilfe, schlicht schlimm. Einige profitierten noch vom erhaltenen Business-Starter. Die Mehrheit musste ihn aber aus Hunger «aufessen». Für viele ist die Maisverteilung, 1 Sack (12 Kg) pro Waisenkind zweimal monatlich eine wichtige Ernährungsgrundlage für die ganze Familie. Auch so bleibt das Leben hart, Hunger ein ständiger Begleiter und Wünsche va. nach Kleidung und Schulmaterial wurden öfters geäussert.
Die Besuche bei den Pflegefamilien waren unsere Hauptbeschäftigung und gaben uns einerseits grosse Befriedigung, weil wir überaus freundlich und auch erstaunlich offen empfangen wurden und wir viel positives Feedback erhielten. Wir spürten eine grosse Anerkennung und Dankbarkeit gegenüber YCD und Patimalawi. Andererseits zeigten uns die Besuche auch die bittere Armut und den schweren Alltag der Menschen in der Gegend auf. Wir sind täglich nachmittags, nach der Schule, zu 3-5 Familien gegangen. Oft war nur die Pflegemutter und das Kind zugegen, weil sie entweder alleine erzieht, oder der Mann gerade arbeitete. Einige arbeiten als Tagelöhner:innen bei Illovo und in der Illovosiedlung. Viele sind Bauern oder HändlerInnen auf dem Markt.
Die Menschen in Nchalo leben in Häusergruppen mit Hofcharakter zusammen. So war es immer auch eine kleine Attraktion in der Nachbarschaft, wenn wir kamen und wir wurden neugierig von Erwachsenen und vor allem den Kinder beäugt. Sie folgten uns überall hin. Es war nicht immer einfach, die nötige Privatsphäre herzustellen. Manchmal mussten wir länger suchen, Strassennamen oder Nummern gibt es nicht. Die Erfahrung der Hausbesuche und Interviews war für sie neu. Jeannette und sie wechselten sich beim Fragen ab und lernten so voneinander. Andi beobachtet jeweils das Ambiente und machte danach bei der Auswertung Rückmeldungen.
Die positiven Eindrücke überwiegten. Trotzdem muss auch festgehalten werden, dass einige der Waisen traumatisiert wirkten, trotz gutem «Klima» bei den Pflegefamilien. Man würde ihnen eine psychologische Begleitung wünschen. Das liegt jedoch völlig ausserhalb der Möglichkeiten. Francis und sein Team sehen die Kinder und einige BegleiterInnen zweiwöchentlich bei der Maisverteilung und garantieren so einen regelmässigen Kontakt. Wir waren zweimal dabei. Sie kommen ab 8 30 Uhr in den Vorhof von Francis Haus, spielen zusammen (zB. Ballspiele oder BAO) bis nach dem Mittagessen gegen 13 Uhr. So wird eine minimale Vernetzung garantiert. Vor allem Blessings kennt die Situation der Familien und der Kinder dadurch sehr gut. Maisverteilung und Essen sorgen auch für Vernetzung untereinander. Dabei übernehmen einige YCD- Vertraute, vor allem Frauen, teilweise grosse Verantwortung kochen und helfen aktiv mit. Diese «natürliche Solidarität» der Menschen und ihre, trotz schwerer Situation, grosse Lebensfreude und Freundlichkeit hat uns immer wieder beeindruckt. Da bald das neue Schuljahr beginnt, wurden auch die Masse für die Uniformen genommen.
In Matsukambia war es anders. Dort wurde von der Regierung flutsicheres Land zur Verfügung gestellt und Menschen, die in der Flut alles verloren hatten angesiedelt. Dieser, einem Flüchtlingscamp gleichendem Ort, befand sich rund 1 1/2 Fussmarschstunden von Nchalo entfernt. Wir fuhren jeweils mit Velotaxis dorthin. Die «Dorfstrukturen» wirken noch nicht eingespielt. Die mehrheitlich von US Aid gespendeten einfachen Lehmhäuschen (zwei Räume und zementierter Boden) wirken nett, sind aber «Einzelhäuschen» (wie in Amerika) unstabil und nur als Übergangslösung gedacht. Dadurch fehlt die sonst übliche Gruppierung, es gibt kaum Schatten und Bäume sind zwar zum Teil gepflanzt aber kommen nicht über Buschgrösse hinaus und spenden noch keinen Schatten.
Häuschen, Maisverteilung und Recreations Zentrum
Schon als die Menschen in Matsukambia noch in Zeltverschlägen hausten begann YCD mit Unterstützung durch Patimalawi, kleine Häuschen zu erstellen. Wir haben etwa 30 gesehen. Sie werden mit Ziegeln gemauert, der Mörtel mit Zement abgedichtet und der Boden zementiert. Die Zementarbeiten waren noch im Gang. Statt mit dem papierdünnen Blech der US AID Häuser sind sie traditionell mit Schilf gedeckt. Die YCD Häuser sind kleiner als jene von US Aid, dafür laut Francis Regen- und Sturmfest. Im Bereich der YCD -Häuschen haben sich am ehesten die lokal üblichen Nachbarschaften entwickelt. Die Armut im Dorf ist nach wie vor gross, weil ihre Felder noch nicht bewirtschaftet werden konnten. Ein mit Solarpumpen betriebene Bewässerungsanlage für Landwirtschaft und eine Permakultur wurde erst montiert und die Aussaat für Oktober/ November vorgesehen. Die Hoffnungen auf die kommende Ernte sind gross. Bis dahin sind die Leute in Matsukambia von der Maishilfe von YCD/Patimalawi abhängig.
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Maisverteilung
Zunehmende Meldungen von Hunger in Matsukambia, die wir unter anderem auch während unserer Interviews bekamen, organisierte YCD mit Unterstützung von Patimalawi eine ausserordentliche Maisverteilung im Dorf. Dafür konnte das kürzlich eingeweihte Recrationszentrum genutzt werden. Es sollten die verletzlichsten, ältere, durch Behinderung eingeschränkte, alleinerziehende und kinderreiche Familien berücksichtigt werden. Wieder beeindruckte uns die Organisation. Die YCD Vertrauten im Dorf versammelten die Ausgewählten im Center, es gab eine Präsenzkontrolle und Fehlende wurden geholt, nicht Berechtigte weggewiesen. Das verlief ruhig und diszipliniert. Die Verteilung organisierte YCD zusammen mit den Leuten. Für je 3 Familien gab es einen 50 Kilo Maissack, den sie untereinander in kleinere Gefässe verteilten. Wieder beeindruckten die Ruhe und gute Organisation, die grosse Dankbarkeit und Solidarität unter den Menschen. Wie wertvoll einzelne Maiskörner sind, die sie zwischen den Fingern durchsieben und einzeln aufheben. (Einzelne sind von Insekten befallen und hohl, die Maissäcke müssen regelmässig mit Insektiziden geschützt werden)
Eröffnung des Recreations-Centers in Matsukambia
Ein erster grosser Höhepunkt unseres Aufenthalts. Das Center befindet sich gleich neben einem der zwei Wassertürme und somit mitten im Zentrum des Gemeindelebens. Der Raum ist etwa so gross wie ein CH-Schulzimmer und wird für Versammlungen, Kindergarten, Feste, Versammlungen und Predigten gebraucht. Das Projekt wurde von Patimalawi finanziert und so durfte/musste ich als Vertreter von Patimalawi am offiziellen Akt teilnehmen und mit dem Regierungsmenschen das berühmte Band durchscheiden. Die Gemeinde ca. 100 Personen, vor allem Frauen, einige ältere Männer und die vielen Kinder im Kreis, im Zentrum auf Stühlen die ca. 10 Dorf- und Gemeindehonoratoren, ältere Männer und ein Regierungsvertreter der Nachbargemeinde von Nchalo, Ngabo (Weiter weg, aber zuständig)
Die Dorfbewohner:innen, bereiteten diverse Lieder und Tänze vor, schon in den Tagen zuvor bemerkten wir die Vorbereitungen bei unseren Pflegefamilienbesuchen. Statt wie vereinbart 6 hatten sie über 20 Vorführungen geprobt. Francis musste sie etwas bremsen. Die Tänze und Lieder drehten sich fast ausschliesslich um YCD und ihre Dankbarkeit. Dankbarkeit aber auch Hoffnung und Lebensfreude waren greifbar und unglaublich, auch ältere Frauen tanzten, musizierten und sagen aus voller Kraft. Für uns das pure Leben, ein einzigartiges Erlebnis. Wir sind dankbar, dass wir vom guten Ruf von YCD und Patimalawi profitieren duften. Das schönste war aber am Schluss, als die Kinder unter johlen und tanzen vom Center und Schaukel Besitz nahmen. Es beeindruckte uns, wie mit wenig, so viel Glück, Hoffnung und Lebensfreude entstehen kann.
Schulgebühr-Programm - Ziegenprojekt
YCD und Patimalawi übernehmen auch Schulkosten für Kinder. Dazu gehören Schuluniform 1x /Jahr und Schulmaterial. Auch für die Waisen ist das Teil des Programms. Francis und Patimalawi züchten zur Finanzierung dieses Stipendiumprogramms Ziegen. Francis ist mächtig stolz darauf und fährt, wenn es geht, täglich zu den Ziegen. Die Herde wächst und sie trägt schon bald die vollen Kosten für die Stipendien.
Kampagne gegen Kinderheirat
Kinderzwangsheirat ist immer noch verbreitet. (aus Not) Es gab ein Fussball-Turnier und Kuwambalu-Tanz sowie Musik aus den Lautsprechern von YCD. Typisch, dass es wie immer eine Ehrentribüne mit Dorfältesten und wichtigen Persönlichkeiten gegeben hat - wir mussten uns immer dazugesellen und uns ans VIPs sein gewöhnen.
Alle YCD Teammitglieder waren vor Ort und hielten während der Fussballpause teilweise flammende Reden. Kreative gemalte Plakate mit Slogans gegen Kinderheirat wurden von Kindern gehalten. Danach folgte die Darbietung der traditionellen Gule Wamkulu Tänzer: für uns natürlich wieder ein Highlight, vor allem in diesem absolut nicht touristischen Zusammenhang. Gefühlt war das ganze Dorf begeistert dabei und die Lockvögel Fussball und Tänzer funktionierten. Auch der Dorfvorsteher unterstütze die Kampagne vor Ort. Mehr passierte vorerst nicht und direkt nach dem Fussballspiel und der Preisverleihung fuhren wir zurück. In der Folgewoche meldeten sich dann Leute aus dem Dorf bei YCD und darum geht es, den Boden für vertrauliche Einzelberatungen zu legen.
Erfahrungsaustausch zurückgekehrter ehemals Zwangsverheirateter
Wir konnten an einem Erfahrungsaustausch von ehemals zwangsverheirateten Kinderehefrauen teilnehmen. Sie berichteten über die Not in ihrer Familie vor der Verheiratung, den nicht eingelösten Versprechen der Ehemänner und der schwierigen Zeit der Ausbeutung in der Zwangsehe. Die meisten sagten, es sei auch nach ihrer Rückkehr in die Herkunftsfamilien schwierig, die Not der Familien sei noch grösser geworden, weil sie mit ihren zusätzlichen Kindern zurückkehrten und diese kaum ernähren konnten. Die Situation ist für sie belastend. YCD und Patimalawi konnten sie dank einer Spende dieses Mal unterstützen. YCD half dieser Gruppe mit einem Businessstarter und einem Crashkurs, wie man ein Business zum Laufen bringen kann. Schön und wohl die einzig positive Seite der schrecklichen Armut ist, wie viel man mit relativ kleinen Spenden bewirken kann und wie die wenigen Mittel sofort zielgerichtet verwendet werden.
Unsere Fragen nach möglicher Zusammenarbeit in Kooperativen und damit verbundenen besseren Business-Chancen stiess bei den Frauen auf Interesse, aber die Skepsis überwog, dafür fehle ihnen das Vertrauen zu einander. Die Idee wurde aber insofern aufgegriffen, dass sie einander bei Erfolg auch in Zukunft gegenseitig helfen möchten. YCD wird einen Ehrfahrungsaustauch organisieren.
Der Genossenschafts- oder Kooperativgedanke ist in Malawi wenig verbreitet, man pflegt vor allem das eigene Land. Gegenseitige Hilfe ist aber verbreitet. Wir haben zwar eine Frauenkooperative auf unseren Spaziergängen um Nchalo gesehen und besichtigt, allerdings fehlte uns die Sprache für genaueres. Sie produzieren Tomatensaft und Konserven, standen aber wegen Wasserproblemen (versalzter Brunnen) still.
Diese Kooperative wurde von mehreren christlichen Hilfswerken unterstützt. Andi denkt in der malawischen Kleinbauernkultur müsste man den Leuten Zeit geben, Vertrauen aufzubauen und langsam, schrittweise Gemeinschaftsstrukturen zu verankern. Der Genossenschaftsgedanke könnte, wenn man sensibel vorgeht, vielleicht Hilfe zur Selbsthilfe fördern und Erfolgschancen einzelner Projekte vergrössern. Andi hat von unseren bäuerlichen Allmelden/Alpen erzählt, (die Kühe gehören den Bauern, gemeinsam zahlen sie den Senn oder Maschinen) und das stiess durchaus auf Interesse.
Rückreise
Vor unserer Rückreise gönnten wir uns einige Tage am wunderschönen Malawisee und wandernd auf dem Zombaplateau in der Region Zentralmalawi. Die touristische Infrastruktur ist klein aber vorhanden, der Transport in den Sammeltaxis schwierig, auch lebendig (man kommt mit den Leuten ins Gespräch) und zeitaufwändig. Schneller geht’s mit einem Privattransfer oder Taxi, das ungefähr so viel kostet, wie bei uns der ÖV. Die benachbarte Armut neben dem westlichen Komfort in den schönen Hotels konnten wir bei allem Genuss nur schwer ausblenden.